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Ur-Schranke

was kommt auf den sockel?

20 | 011 | 2005
Jeder weiß es. Doch es ist immer wieder schön, daran zu erinnern: Großauheim ist einzigartig. Es ist die Stadt der trockenen Brunnen und der Ort der geschlossenen Schranken. Dazu gibt es bei uns die niedrigste Brücke der Rhein-Main-Donau-Wasserstraße, die -nach spektakulärer Anhebung um fast einen Meter- nun die jüngste angehobene niedrigste Brücke zwischen Atlantik und Schwarzem Meer ist. Es bleibt dabei: Großauheim ist einmalig und ganz vorn in der westlichen Welt.
Nun wollten auch die emsigen Wühler des Hanauer Bauamts der Hanauer Stadtteilperle einmal huldigen: Nach fast zehnjähriger Planungsarbeit war die Ecke Bahnhofstraße/Hauptstraße in nullkommanix aufgebuddelt, gepflastert, begradigt und sinnvoll umgestaltet. Jetzt herrscht Ordnung auf dem Platz, der nur noch einen Namen braucht. Da ist Fantasie gefragt. (Vielleicht nehmen wir den benachbarten „Bahnhofsvorplatz“ als herausforderndes Beispiel?) Doch das hat Zeit, denn noch fehlt lebendiges Grünzeug. Die Gartenbauer gönnen den Bäumen und Sträuchern eine kuschelige Überwinterung im Gewächshaus, bevor es dann ab in die heilige Auheimer Heimaterde geht. Beruhigend zu wissen, daß da routinierte Profis am Werk sind.
Doch welche Überraschung erblickt der aufmerksame Passant derzeit am neu gestalteten Großauheimer Verkehrsknoten?
An markanter Stelle im aufgepflasterten Niemandsland, zwischen Parkplätzen und Pflanzbeet, steht ein Sandsteinsockel. Genauer: er ruht. Geduckt und gedrungen scheint er auf schwere Last zu warten, die er dereinst zu tragen hat.
Doch was soll dem unschuldigen Fundament aufgebürdet werden? Abstrakte Kunst? Eine stilisierte Bahnschranke? Gar ein weiterer Trockenbrunnen? Was auch immer: die verantwortlichen Entscheidungsträger sind nicht zu beneiden. Sie können machen, was sie wollen, der Ärger ist garantiert. Denn Motzen können wir Großauheimer, ganz gleich, worum es geht.
Am besten, der Sockel bleibt frei, das Podium leer.
Jeder volljährige Großauheimer Bürger wird verpflichtet, 6 Stunden pro Jahr Ehrendienst als „Lebendes Denkmal“ abzuleisten. Während der verordneten Standzeit darf gelesen, gesprochen und gesungen werden. Klappstühle allerdings werden nur den gebrechlicheren Auheimern zugestanden. Der Verzehr fester Nahrung ist untersagt, um Spatzen und Tauben von der lebenden Statue fernzuhalten. In den ersten Denkmalstagen wird sich ein speziell ausgebildeter Tierpsychologe um zudringliche Hunde kümmern und mit ihnen über die Notwendigkeit eines Verbotes der Reviermarkierung zu diskutieren. Koordiniert wird die ehrenvolle Bürgerpflicht vom Stadtteilladen. Die Überwachung gewährleisten die gnadenlosen HiPos (neu: OrPos) vom Ordnungsamt. Am 20.November ist die feierliche Enthüllung des Denkmals (oder sagt man: Erstbesteigung?)  Halten Sie sich also bereit, wenn die Pflicht ruft!
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